Elternsein ist eine der schönsten, aber auch herausforderndsten Aufgaben im Leben. Zwischen Familienalltag, Job und gesellschaftlichen Erwartungen kann es leicht passieren, in einen ständigen Optimierungsmodus zu geraten. Wir wollen für unsere Kinder nur das Beste, wollen alles richtig machen und ihnen unvergessliche Kindheitserinnerungen schaffen. Doch genau dieser Anspruch bringt uns oft an unsere Grenzen. Der stille Vergleich mit anderen Eltern, der Druck mitzuhalten, etwas Besonderes zu schaffen, all das führt dazu, dass wir uns selbst verlieren. Die Frage ist: Muss es wirklich so kompliziert sein?

In diesem Artikel erfährst du, warum es sich lohnt, den einfachen Weg bewusst wahrzunehmen und wie Achtsamkeit im Familienalltag entlasten kann. Eine alte buddhistische Geschichte dient uns dabei als Spiegel für unseren modernen Erziehungsstil.

Inhalte im Überblick


Achtsamkeit beginnt mit einem Perspektivwechsel

Ich möchte dir eine kurze Geschichte erzählen, die mich persönlich sehr zum Nachdenken gebracht hat. Sie bringt auf einfache Weise eine Wahrheit auf den Punkt, die wir im Alltag oft übersehen.

Es wird erzählt, dass Buddha auf einer seiner Reisen mit einer kleinen Gruppe von Schülern an einen Fluss kam. Dort begegneten sie einem Mann, der jahrzehntelang intensiv an seiner spirituellen Erleuchtung gearbeitet hatte. Er hatte sich aus der Welt zurückgezogen, täglich meditiert, lange gefastet, geschwiegen sowie auf Besitz und Bequemlichkeit verzichtet.

Stolz berichtete er Buddha, dass er nach 40 Jahren intensiver Übung nun in der Lage sei, übers Wasser zu gehen. Er demonstrierte es sogar: Mit viel Konzentration und Anstrengung schritt er einige Meter auf der Wasseroberfläche.

Buddha soll ihm ruhig und respektvoll begegnet sein, aber nur eine einfache Frage gestellt haben: Warum er so viele Jahre seines Lebens aufgewendet habe, um etwas zu erreichen, das er auch hätte tun können, indem er einfach die Brücke benutzt, die nur ein Stück flussabwärts liegt.

Wie oft investieren wir enorme Energie in etwas, das uns vermeintlich weiterbringen soll, übersehen dabei aber, dass es einen einfacheren, näherliegenden Weg gibt? Dies passiert, weil wir so sehr auf das Ziel fokussiert sind, dass wir den Rahmen, in dem wir handeln, nicht mehr hinterfragen.

Gerade im Familienalltag begegnet mir dieses Phänomen immer wieder. Eltern, die alles richtig machen wollen, die sich bemühen, bewusst zu erziehen, präsent zu sein, emotionale Bedürfnisse zu erkennen und sich dabei oft selbst verlieren. Der Anspruch wächst, die Erschöpfung auch. Und dabei liegt die Brücke manchmal direkt vor uns in einer kleinen Pause, einem klaren Nein oder einem echten Zuhören ohne Lösungsdruck.

Wenn der Anspruch zur Belastung wird

Jedes Jahr aufs Neue erwische ich mich dabei, wie ich vor dem Geburtstag meiner Kinder innerlich unter Druck gerate. In der Klasse meiner großen Tochter sind 28 Kinder. Wenn ich Muffins backe, reichen keine zwei Bleche. Also plane ich ein drittes ein. Ich kaufe ein, backe abends, dekoriere, bin genervt und gestresst. Und wenn dann noch etwas schiefläuft, ist die Verzweiflung groß. Während mein Kind schläft und sich auf seinen großen Tag freut, stehe ich frustriert in der Küche, statt mich auf ihren großen Tag zu freuen.

Und das nur, weil ich mich mit dem Bild anderer Eltern vergleiche, deren Beiträge gefühlt immer etwas bunter, größer oder aufwendiger sind.

Wie stark dieser Druck wirken kann, habe ich in meiner Arbeit mit Kindern einmal besonders deutlich erlebt. Ein Mädchen brachte zum Geburtstag Tütchen für die gesamte Klasse mit. Soweit nichts ungewöhnliches. Jedoch war jede Tüte befüllt mit einem Spielzeug, mehreren Sorten Süßigkeiten und Seifenblasen. So schön das für die Kinder war, so deutlich zeigte sich auch, dass dies eher einem Geschenk als einer kleinen Aufmerksamkeit glich.

Natürlich freuen sich Kinder riesig über so etwas. Aber was passiert mit den Kindern, wie nun auch zu ihrem Geburtstag solche Tüten für die Klasse haben möchten? Was passiert mit den Eltern, die sich das nicht leisten können? Was, wenn ein Kind nach Hause kommt und fragt: „Mama, warum haben wir das nicht so gemacht?“ Der soziale Druck wächst. Und genau da müssen wir uns ehrlich fragen: Was wollen wir unseren Kindern wirklich mitgeben? Dass Leistung Liebe bedeutet? Oder dass Zuwendung und Verbindung im Alltäglichen liegen dürfen?

Brücke Achtsamkeit

Achtsamkeit als Ausweg aus dem Vergleich

Achtsamkeit im Familienalltag bedeutet nicht nur, im Moment zu sein. Es bedeutet auch, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein. Zu bemerken, wann wir aus Pflichtgefühl handeln statt aus Freude. Zu erkennen, wann wir Erwartungen erfüllen wollen, die gar nicht unsere eigenen sind.

Oft sind es die kleinen und einfachen Dinge, die glücklich machen. Es ist die Brücke, die wir im Alltag oft übersehen. Warum zum Beispiel backen, wenn man auch kaufen kann? Es reicht völlig aus, gemeinsam mit dem Kind einfache Muffins liebevoll zu verzieren und dabei ins Gespräch zu kommen und gemeinsame Zeit, statt Perfektion zu genießen. So entsteht Verbindung, statt Überforderung. Gerade diese kleinen Rituale schaffen bleibende Erinnerungen. Finde auch hier deinen eigenen Weg, der sich für dich, für euch gut anfühlt.

Ein Gedanke, der mich als Mutter von drei Kindern immer wieder begleitet: Beim dritten Kind packt mich sehr häufig das schlechte Gewissen. Meine jüngste Tochter bekommt im Alltag schlicht nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie meine älteste damals. Bei meiner ersten Tochter habe ich vieles selbst gemacht, mit ihr gebastelt, organisiert, mich intensiv eingebracht. Beim dritten Kind läuft vieles nebenher. Nicht aus Gleichgültigkeit, sondern weil Zeit und Energie schlicht begrenzt sind. Auch hier hilft mir die Erinnerung, dass es nicht um Perfektion geht, sondern um echte Verbindung. Um das Bewusstsein, dass weniger manchmal mehr ist.

Warum der einfache Weg oft der ehrlichere ist

Wie in der Geschichte lohnt sich auch im Alltag der Blick auf die Brücke. Was ist mein eigentliches Ziel – und wie kann ich es erreichen, ohne mich selbst dabei zu verlieren? Ist der Umweg wirklich nötig? Oder gibt es einen Weg, der leichter, authentischer und menschlicher ist?

Es geht nicht darum, weniger zu geben, sondern mit mehr Bewusstsein durch den Tag zu gehen. Unsere Energie ist begrenzt, aber unsere Haltung macht den Unterschied. Wenn wir den inneren Druck loslassen, entsteht Raum für echte Verbindung. Raum, um wieder zu spüren, worauf es uns wirklich ankommt. Nämlich die gemeinsame Familienzeit, die Zeit mit unseren Kindern, gemeinsame Momente, ein ehrliches Lachen und das Gefühl, wirklich gesehen und verbunden zu sein. Am Ende erinnern sich unsere Kinder nicht an das perfekte Buffet oder die aufwendigsten Tüten. Sie erinnern sich daran, wie sie sich gefühlt haben. Ob wir da waren. Ob wir Zeit hatten. Ob wir gelacht haben. Ob sie Spaß hatten.

Und genau da setzt Achtsamkeit an. Sie hilft uns, im Trubel des Alltags kurz innezuhalten, den Blick zu heben und uns neu auszurichten, damit wir wieder bei uns ankommen und bei denen, die uns am wichtigsten sind. Gerade hier zeigt sich, wie viel Kraft in echter Achtsamkeit im Familienalltag steckt.

Diese Mini-Übung bringt dich sofort zurück zu dir

Achtsamkeitsübung

In Momenten, in denen sich innerer Druck aufbaut, hilft oft ein bewusster Atemzug mehr als zehn perfekte Muffins. Sei es vor einem Kindergeburtstag, einer Schulveranstaltung oder beim alltäglichen „Ich muss noch schnell …“.

Ich selbst versuche diese kleine Übung regelmäßig anzuwenden. Hauptsächlich in Momenten, in denen ich merke, dass ich anfange, mich im Funktionieren zu verlieren. Gerade wenn vieles gleichzeitig läuft und ich spüre, wie sich mein Körper anspannt oder meine Gedanken rasen, ist das mein Anker, um wieder kurz bei mir anzukommen. Übungen wie diese sind ein einfacher Einstieg in mehr Achtsamkeit im Familienalltag.

Die 3-A-Übung: Anhalten – Atmen – Ausrichten.

Anhalten:
Sobald du bemerkst, dass du innerlich hetzt, überfordert bist oder dich auch vergleichst, halte kurz inne. Physisch und gedanklich. Physisch, indem du für einen Moment stehen bleibst, dich nicht weiter bewegst, den Blick vom Handy oder von der To-do-Liste hebst.
Gedanklich, indem du dir erlaubst, deine innere Stimme wahrzunehmen. Spüre in dich hinein. Wo stehe ich gerade? Was passiert gerade in mir? Einfach nur beobachten, ohne dabei zu bewerten.

Atmen:
Nimm drei tiefe Atemzüge. Atme langsam durch die Nase ein und spüre, wie die Luft in dich einströmt. Halte nun einen Moment inne und atme dann langsam durch den Mund wieder aus. Lass mit jeder Ausatmung die Anspannung los.

Ausrichten:
Frage dich still: Was ist mir jetzt gerade wirklich wichtig?
Geht es gerade ums Abarbeiten, um Erwartungen oder um Verbindung?
Um die Verbindung zu meinem Kind, zu mir selbst, zum Moment?
Schon diese kleinen Fragen können eine neue Perspektive eröffnen und dir helfen, das Wesentliche wieder klarer zu sehen.

Kleine Momente für Dich: So passt Achtsamkeit in den Familienalltag

Achtsamkeit funktioniert nicht von heute auf morgen. Es gibt Tage, da klappt es einfach nicht und das ist völlig okay. Der Alltag rauscht an dir vorbei, du funktionierst einfach und irgendwann merkst du, dass dein Akku leer ist. Doch jeder kleine Moment, in dem du innehältst oder tief durchatmest, ist ein Erfolg. Mit der Zeit wird es immer leichter, bis es irgendwann ganz selbstverständlich wird.

Notizbuch Tagebuch Journal

Pausen sind wichtig, aber das erzähle ich dir vermutlich nicht zum ersten Mal. Die Herausforderung ist eher, sie im Alltag wirklich zu nehmen. Es liegt an dir, dir diese Momente bewusst zu erlauben. Hier ein paar Impulse, die mir selbst im Mama-Alltag helfen und die vielleicht auch für dich funktionieren:

Affirmationskarten

Starte den Tag mit einer positiven Botschaft und beende ihn mit einem liebevollen Gedanken. Meine Affirmationskarten speziell für Mamas enthalten insgesamt 70 Karten für den Morgen und Abend. Ein einfacher Weg, mehr Achtsamkeit und Selbstwertgefühl in deinen Alltag zu bringen. Sie sind direkt als Download verfügbar.

Ein gutes Buch lesen:

Auch wenn es nur fünf Seiten am Tag sind. Am Ende des Monats hast du vielleicht ein ganzes Buch gelesen. Zwei Bücher, die mich besonders zum Nachdenken angeregt haben, sind „The Big Five for Life: Was wirklich zählt im Leben“* und „Der Wald, vier Fragen, das Leben und ich“*.

Tagebuch schreiben

Jeden Abend versuche ich mir etwa fünf Minuten Zeit zu nehmen und schreibe mindestens drei Dinge auf, für die ich dankbar bin. Wir Menschen neigen eher dazu, uns an das Negative zu erinnern. Diese Übung hilft mir, das Gute bewusster wahrzunehmen und dankbar für das zu sein, was ich habe. Mit der Zeit wirst du merken, dass dir nicht nur drei, sondern viele solcher Dinge einfallen werden. Ich habe mir dafür ein besonders Notizbuch ausgesucht. So werden die Minuten am Abend zu etwas ganz Wertvollem. Als kleiner Tipp: Wähle ein Notizbuch ohne Linien, so bist du ganz frei in der Gestaltung. Ich verwende am liebsten die von Papierdrachen, wie dieses HIER*.

Mini-Yoga-Einheit

Manchmal ist Bewegung genau das, was Körper und Geist brauchen. Wenn die Zeit knapp ist, besteht meine kleine Yoga-Routine aus nur fünf einfachen Übungen:

Mini Yoga-Einheit für Mamas

🔹Schulterkreisen im Wechsel nach vorne und nach hinten: löst Verspannungen und bringt Leichtigkeit in den Oberkörper.

🔹Sanftes Strecken nach oben: öffnet den Brustkorb und sorgt für tiefe Atemzüge.

🔹Seitliche Dehnung: macht den Rücken flexibel und gibt frische Energie.

🔹Vorbeuge im Stehen: entspannt den gesamten Körper und schenkt innere Ruhe.

🔹Viparita Karani mit den Beinen an der Wand: pure Entspannung. Bleibe so lange in der Position, wie es für dich angenehm ist. Diese Übung eignet sich auch wunderbar, um sie mit deinem Kind zu machen. Oft wird daraus automatisch eine kleine Kuscheleinheit, die euch beide zur Ruhe bringt.

Es sind oft nicht die großen Veränderungen, die zählen, sondern diese kleinen, bewussten Momente. Sie sammeln sich und machen auf lange Sicht einen spürbaren Unterschied in deinem Alltag.

* Transparenzhinweis: Dieser Link ist ein sogenannter Affiliate-Link. Wenn du darüber etwas kaufst, erhalte ich eine kleine Provision. Für dich ändert sich am Preis nichts. Du unterstützt damit lediglich meine Arbeit. Danke!

Fazit: Du musst nicht übers Wasser gehen

Als Eltern wollen wir nur das Beste für unsere Kinder. Wir geben viel, organisieren, planen, und gleichzeitig versuchen wir mitzuhalten. Doch manchmal verlieren wir dabei aus dem Blick, worum es im Kern eigentlich geht. Nämlich um Verbindung, Aufmerksamkeit und die gemeinsame Zeit.

Wir müssen nicht übers Wasser gehen, um gute Eltern zu sein. Wir müssen nicht immer mehr leisten, um genug zu sein. Manchmal reicht es, die Brücke zu sehen, die direkt vor uns liegt und den einfacheren Weg zu nehmen, der uns zurück zu uns selbst führt.

Achtsamkeit im Familienalltag heißt nicht, dass alles perfekt läuft. Es heißt, bewusst zu erkennen, wann wir uns verlieren und die Entscheidung zu treffen, wieder bei uns und unseren Kindern anzukommen.

Vielleicht ist es genau dieser kleine Moment, der einen Unterschied macht. Nicht nur für dich, sondern auch für dein Kind.

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